Praxisforschung Lebenshilfe Karlsruhe
Jessica Bos berichtet über Ihr Praktikum in der Lebenshilfe Karlsruhe
Ziel des Praktikums war es, Daten über den Prozess von digitalisierten Arbeitsprozessen in Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigungen zu erheben. Neben den Auswirkungen sollen auch mögliche Chancen und Risiken der Digitalisierung aufgezeigt werden. Dabei sollte auch der Ist-Stand der Umsetzung der Kriterien der UN Behindertenrechtskonvention (Teilhabe und Selbstbestimmung der Klient*Innen) in Betracht genommen werden.
Die UN Menschenrechtskonvention fordert eine bedingungslose und unnachgiebige Inklusion und Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen in das Leben des Gemeinweisen. Dabei wird das Hauptaugenmerk derzeit vor allem auf die Teilhabe an gesundheitlicher Vorsorge, Barrierefreiheit und Mobilität gelegt. Ebenso wird die freie Wahl des Wohnortes und ein vorbehaltloser Zugang zum kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Leben gefordert und soll für alle Menschen, mit oder ohne Beeinträchtigungen, als selbstverständlich gelten.
Die Digitalisierung 4.0 könnte dabei unterstützen, Menschen mit Beeinträchtigungen im Rahmen des tiefgreifenden demographischen Wandels einzubeziehen, und den strukturellen und sozialen Veränderungen entgegenzuwirken, sowie eine nachhaltige Inklusion und Teilhabe, auch im Arbeitsleben zu gestalten.
Werkstätten sind dabei ein elementarer Bestandteil, dennoch kämpfen sie vielerorts mit der geringeren formalen Anerkennung ihrer Tätigkeit (vgl. Misslhorn 2017:33).
Die Praxisforschung in Form des Praktikums hatte das Ziel, Fragen, die sich aus dem theoretischen Input und der bisherigen Berufspraxis, zum Thema Digitalisierung in Werkstätten für beeinträchtige Menschen, ergaben, zu untersuchen und zu beantworten. Um diese Fragen besser beantworten zu können, fand das Praktikum in Interaktion mit dem Arbeitsumfeld statt. Die Lebenshilfe Karlsruhe erwies sich als sehr kooperative Institution und stimmte ein Praktikum ohne Bedenken zu. Die Werkstätten der Lebenshilfe Karlsruhe fungieren als eine sehr innovative Werkstatt für beeinträchtigte Menschen. Viele adaptierte Arbeitsplätze, die individuell auf die Bedürfnisse, Einschränkungen aber auch Ressourcen der Werkstattnutzer*Innen adaptiert sind, haben das Ziel, eine größtmögliche Teilhabe und Inklusion der Menschen zu gewährleisten. Die Lebenshilfe Karlsruhe ist die bundesweit größte Interessenvertretung für Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Angehörigen. Der Ausgangspunkt der Vereinsentwicklung war die Unterstützung und Entlastung von Familien mit beeinträchtigten Kindern. Inzwischen sind rund 1300 Menschen mit geistigen, körperlichen und seelischen Behinderungen, in den verschiedenen Betrieben und Arbeitsprojekten tätig.
Die Einrichtung gibt Menschen mit Beeinträchtigungen die Chance, sich in einem geschützten Rahmen beruflich zu orientieren und auszuprobieren. Menschen, die in den Werkstätten arbeiten, haben die Möglichkeit, während ihrer Arbeitszeit an Fort- und Weiterbildungen teilzunehmen. So können z.B. der Umgang mit dem Computer erlernt und geübt, ein Führerschein zum Transportieren von Arbeitsmaterial gemacht, oder eine einjährige Weiterbildung zu Alltagshelfer*innen oder Lagerhelfer*innen gemacht werden. Die Klient*Innen montieren und verpacken unterschiedlichste Produkte, die dann in alle Welt verschickt werden. Weiterhin werden modernste Behandlungsliegen für Krankengymnasten und Krankenhäuser produziert. Arbeitsplätze und Arbeitsräume werden so gestaltet, dass sich die Menschen wohlfühlen. Es wird hoher Wert auf Barrierefreiheit und gesunde Arbeitsbedingungen gelegt, von dem ich mich selber überzeugen konnte. Entscheidungsprozesse werden unter der Mitbestimmung und Mitwirkung der Betroffenen angestrebt und entsprechend umgesetzt. Dabei werden zwar angepasste Technologien sinnvoll zur Sicherung der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen an der Arbeitswelt eingesetzt, allerdings werden diese nicht, wie vorher vermutet, mit digitalen Assistenzsystemen auf einzelne Arbeitsprozesse umgesetzt. Einzelne Arbeitsplätze werden auf die Klient*Innen adaptiert, aber nicht im Rahmen eines digitalisierten Arbeitsprozesses.
Die Digitalisierung ist in der Lebenshilfe ein großes Thema, dennoch bestehen derzeit noch viele Unsicherheiten und Unklarheiten, z.B. in den Bereichen der Gestaltung einzelner Arbeitsbereiche und/oder der Finanzierungsmöglichkeiten. Weiterhin stellte sich die Frage, ob der industrielle Arbeitsbereich davon profitieren würde? Das Praktikum gab einen Einblick über die Unsicherheiten, die über die Gestaltung eines Digitalisierungsprozesses in Werkstätten für behinderte Menschen vorherrschen. Es war sehr aufschlussreich, sich mit den Verantwortlichen der Institution über die Digitalisierung auszutauschen.
Es ist uns gemeinsam mit allen Beteiligten gelungen, auf die Perspektiven und möglichen Veränderungen in dem Bereich der Digitalisierung in Werkstätten für behinderte Menschen aufmerksam zu machen und auf Entwicklungen hinzuweisen. Dementsprechend wurde das Kurzzeitpraktikum von allen Beteiligten als sehr profitabel empfunden.