Sozialarbeiter*innen sind Pionier*innen auch im Bereich der Methodenentwicklung. So wurden zum Beispiel Case- und Caremanagement, psychosoziale Krisenintervention, telefonische Hilfeberatung, Supervision oder Validation in weiten Teilen von Sozialarbeiter*innen entwickelt, validiert und der Praxis zur Verfügung gestellt. Die genannten Methoden wurden wegen ihrer Feldtauglichkeit und Passung in der Folge auch einerseits von benachbarten Professionen übernommen und manche andererseits auch von Wohlfahrtsträgern in den vorprofessionellen Bereich unter Einsatz von Lai*innen angewendet. Das mag zu einer Verbesserung der Versorgungslage und Unterstützung von psychosozialen Klient*innen durch eine breitere Anwendung führen.
Für einige dieser Methoden wurden aber durch standespolitisch gut organisierte Gruppen bzw. deren wirtschaftlichen Interessenvertretungen über einen längeren Zeitraum hinweg diese Methoden "monopolisiert". Die Ausprägungen dafür reichen von Festschreibungen von Tätigkeiten bzw. Tätigkeitsvorbehalten in Berufsgesetzen für staatlich anerkannte Gesundheitsberufe bis zu Exklusivanbindungen von Tätigkeiten über Gewerbescheine.
Problematisch ist die jeweils damit einhergehende Delegitimierung der Sozialarbeiter*innen trotz vorhandener Bachelor- und Masterausbildung. Man ist trotz mehrjährigem Studium mit entsprechenden Inhalten nicht berechtigt, diese Methoden anzuwenden, weil andere Berufsgruppen oder Gewerbe sich entsprechende Vorbehalte gesichert haben. Sozialarbeiter*innen werden daher von Erfindungen, die aus ihrer eigenen Profession kamen, exkludiert.
Ein wesentlicher Teil dieser Problematik ist mit dem nicht Vorhandensein eines Sozialarbeitsgesetzes verbunden. Andere Berufsgruppen, insbesondere im Gesundheitswesen, haben Gesetze, die den Beruf und dessen wesentliche Komponenten regeln und damit auch Teile der Aufgaben und Tätigkeiten exklusiv zuweisen. So haben beispielsweise Ergotherapie, Musiktherapie, klinische Psychologie oder Psychotherapie, Gesundheits- und Krankenpflege entsprechende Rahmenbedingungen die auch eine Registrierung als Gesundheitsberuf umfasst. Entsprechende Regelungen für bestimmte Positionen Sozialarbeiter*innen zu verwenden gibt es in wenigen Handlungsfeldern der Sozialarbeit wie Justiz, Neustart oder im Bereich der behördlichen Jugendwohlfahrt. Ein Bundesgesetz das Handlungsfelder beschreibt oder Aufgaben, Ausbildung, Berufspflichten, Schweigepflichten, Methoden, Zertifizierung und Rezertifizierung, Entzug einer Berufsberechtigung, Beschwerdemodalitäten für Klient*innen regelt, würde Klarheit schaffen und Sozialarbeiter*innen analog zu anderen Professionen legitimieren. Sozialarbeiter*innen müssten sich nicht erst – wie in der Praxis erfolgreich gemacht – Augenhöhe mühsam und mit Reibungsverlusten erkämpfen.
Das Projekt erforscht den Stand an Berufsgesetzen und Sozialarbeitsgesetzen innerhalb Europas und betrachtet ausgewählte internationale Praxen. Sozial- und Gesundheitsreferent*innen von Nationalrat, Bundesrat und Ländern sowie die jeweiligen Fachsprecher*innen der politischen Parteien werden über die Problemstellungen informiert und etwa durch Interviews über Perspektiven befragt. Sozialarbeiter*innen, die in der Politik aktiv waren oder sind, werden als Expert*innen in das Projekt eingebunden. Bestehende Konzepte eines Berufsgesetzes bzw. international vorhanden Varianten werden verglichen und zumindest zwei Varianten eines Berufsgesetzes für Österreich entwickelt, mit Stakeholdern rückgekoppelt und mit einer SWOT-Analyse dargelegt. Abschließend werden diese Konzepte den politischen Verantwortlichen in den Bundesländern und im Nationalrat übermittelt.
Mag. (FH) Marco Uhl