Anwendungspraxis von Case Management in Österreich


Anwendungspraxis von Case Management in Österreich


Seit einigen Jahren gewinnt Case Management auch im Österreichischen Sozial- und Gesundheitswesen zunehmend an Bedeutung. Dabei fällt auf, dass sich die Modelle hinsichtlich ihrer Definitionen, handlungsleitenden Prinzipien und methodischen Ausgestaltung deutlich voneinander unterscheiden. Auch bezüglich der Qualifikationen der eingesetzten Case ManagerInnen und der organisationalen wie sozialräumlichen Verankerung ist eine große Diversität feststellbar.


In diesem Masterprojekt befassen sich die Studierenden mit den Spezifika eines Social Work Case Management und entwickeln einen Kriterienkatalog, entlang dessen die Anwendungspraxen einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Die Ergebnisse werden den untersuchten Einrichtungen zur Verfügung gestellt und sollen den Fachdiskurs und die Weiterentwicklung des Case Managements in Österreich fördern.


Projektendbericht

Neun Studierende untersuchten, wie CM in Österreich zur Anwendung gelangt. Sieben der Studierenden haben im April 2018 eine gemeinsame Masterarbeit vorgelegt: Nach einer Einführung in das Verfahren und Organisationskonzept CM werden drei Untersuchungen der österreichischen CM-Praxis vorgestellt.

Nikita Felder, Stefanie Gebesmair, Kathrin Gräble und Hannah-Christina Nebosis widmen sich der Frage, wie Prinzipien eines Social Work Case Management in den Wiener Organisationen Regionales Kompetenzzentrum (rKomZ) des Programms ‚Alkohol.Leben Können‘ sowie ‚Startbegleitung für Asylberechtigte und Subsidiär Schutzberechtigte‘ der Interface GmbH zur Anwendung gelangen. Sie arbeiten heraus, dass rKomZ tendenziell als systemorientierte CM-Anwendung mit dem Fokus auf der Broker- und Gatekeeper-Funktion verstanden werden kann, während Interface Beispiel eines klientInnen-orientiertes Modell mit dem Fokus auf Advocacy und Social Support ist. Dementsprechend finden sich im rKomZ nur wenige Hinweise auf die Umsetzung der in der Fachliteratur postulierten Prinzipien, während diese bei Interface handlungsleitend sind.

Maria Weinberger und Claus-Clemens Lichtenthäler befassen sich mit der Betrieblichen Wiedereingliederung. An den Beispielen der ÖBB, des Magistrats Linz, des Magistrats Graz sowie des Med Campus III des Kepler Universitäts Klinikums arbeiten sie die Vielfalt der Ausgestaltung der einzelnen Phasen des Regelkreises trotz der Vergleichbarkeit des formalen Prozessablaufs heraus. Sie zeigen, dass Interventionen und Interventionsspielräume auf Fallebene davon abhängig sind, wie CM als organisationales Konzept implementiert wurde. Herausgearbeitet wird schließlich die Bedeutung der Vernetzung und Beziehungsarbeit mit allen relevanten AkteurInnen – und zwar bereits während der Implementierung von CM. Diese Kooperation erhöht die Wahrscheinlichkeit von passgenauen Unterstützungen im Einzelfall, erzeugt aber auch Spannungsfelder für Case ManagerInnen – auch deswegen, weil sie den AkteurInnen nicht bloß als Case ManagerInnen, sondern auch als KollegInnen begegnen.

Brigitte Grünsteidl untersucht anhand der Organisationen Netzwerk Gehirn OÖ, Pflege- und Beratungsnetzwerk Vorarlberg und Chance B wie institutionelle Netzwerkarbeit betrieben wird. Sie arbeitet die unterschiedlichen Strukturen der organisationalen Netzwerke dieser Einrichtungen heraus und zeigt, welche Faktoren auf die institutionelle Netzwerkarbeit und das Verständnis des zur Anwendung gelangenden CM Einfluss nehmen: Die Interessen der AkteurInnen im Feld; die persönliche Haltung der am CM-Prozess beteiligten Personen – und zwar insbesondere jene mit Entscheidungs- und Gestaltungsmacht; die Art der Kooperationsbeziehungen im Netzwerk; die Positionierung der CM-Organisation im Netzwerk und nicht zuletzt die politischen Interessen.

Sükrü Akbal geht anhand von Interviews mit Jugendlichen der Frage nach, wie die Prozessphasen des Case Managements im Jugendcoaching umgesetzt werden und welche Funktionen von den Case Manager*innen wahrgenommen werden. Die Narrationen der Jugendlichen lassen auf eine rudimentäre Umsetzung des Case-Management-Prozesses. Die Fokussierung auf Berufs- und Bildungsfragen engt nicht nur den Interventionsraum der Jugendcoaches, sondern auch die Ausgestaltung von fallbezogenem Assessment, Planung, Intervention und Koordination und Evaluation ein. Jugendcoaches fungieren vor allem als Broker und Gatekeeper, die Advocacy-Funktion wird fallweise wahrgenommen, Die Social Support-Funktion beschränkt sich auf die themenbezogene Unterstützung der Jugendlichen, das soziale Umfeld scheint kaum in das Unterstützungsgeschehen einbezogen zu werden.

Alexandra Engelmayr-Rácz untersucht, welche Hinweise auf Prinzipien des Case Managements sich in den Narrationen jugendlicher Nutzer*innen des Jugendcoachings aufspüren lassen. Anschaulich arbeitet sie heraus, dass für die Jugendlichen die Qualität ihrer Beziehung zu den Jugendcoaches maßgeblich dafür ist, ob sie das Angebot als hilfreich erachten oder nicht – und zwar unabhängig vom Ergebnis des Coachings. Die Erzählungen der Jugendlichen zeichnen ein heterogenes Bild von der Beziehungsgestaltung durch die Jugendcoaches. So lässt sich belegen, dass Jugendcoaching eine Ressource bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben und Problemlagen ist und neben Information und Wissensvermittlung auch praktische und emotionale Unterstützung geleistet wird. Gleichzeitig lassen sich Hinweise darauf finden, dass die Selbstständigkeit und das Selbstvertrauen der Jugendlichen fallweise wenig gefördert wird. Die Daten lassen die Schlussfolgerung zu, dass die erlebte Qualität der Beziehung abhängig vom professionellen Selbstverständnis der einzelnen Jugendcoaches variiert.

Masterarbeiten

Kontakt

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FH-Dozentin
Department Soziales
Arbeitsplatz: B - Campus-Platz 1
Laufzeit
31.08.2016 – 29.06.2018
Projektstatus
abgeschlossen
Beteiligte Institute, Gruppen und Zentren
Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusionsforschung