Entwicklung von Informations- und Reflexionsinstrumenten zur Förderung der Auseinandersetzung mit Case Management-Erfahrungen
Im Fachdiskurs zu Case Management ist die Perspektive von Nutzer*innen derzeit noch wenig vertreten. Trotz handlungsleitender Prinzipien wie Klient*innenorientierung, konsequenter Beteiligung und Anwaltschaftlichkeit ist wenig über die Erfahrungen von Nutzer*innen mit Case Management bekannt. Gleichzeitig sind fachliche Standards verfügbar, die nach einer zielgruppengerechten Aufbereitung als Einladung zur Reflexion eigener Erfahrungen mit Case Management dienen könnten. Eine solche Reflexion von Nutzer*innen des Case Managements kann dazu beitragen zu beurteilen, ob und inwieweit das erlebte Case Management den fachlichen Anforderungen an dieses Handlungskonzept gerecht wird.
Im Zentrum des Projekts stehen also die Erfahrungen von Nutzer*innen Sozialer Arbeit mit Case Management. Zur Erhebung von Nutzer*innen-Erfahrungen sollen Informations- und Reflexionsinstrumente entwickelt werden. Die Forschungsgruppe orientiert sich dabei fachlich an den von der Österreichischen Gesellschaft für Soziale Arbeit Anfang 2019 veröffentlichten "Standards für Social Work Case Management". Die Erkenntnisse können wertvolle Impulse für die Weiterentwicklung des Case Managements in Theorie und Praxis liefern.
Poster für den Social Work Science Day
Die entwickelten Informationsmaterialien dürfen wir bereits hier präsentieren:
Erklärvideo Social Work Case Management
Video Case Management AusbildungsFit
Masterthesen
Endbericht
Die Ausgangsidee dieses Forschungs- und Entwicklungsprojektes des Masterstudiengangs Soziale Arbeit bestand darin, Informationsmaterialien zum (sozialarbeiterischen) Case Management (CM) zu entwickeln. Diese sollten zur Erkundung der Erfahrungen von Nutzer:innen dieses Handlungsansatzes eingesetzt werden. Die Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen für barrierefreie und audiovisuelle Materialien zeigte, dass dieses Vorhaben für den Projektrahmen zu ambitioniert war. Das Forschungs- und Entwicklungsteam entschied sich daher für ein arbeitsteiliges Vorgehen mit einer engen Verzahnung der verschiedenen Teilprojekte.
Schwerpunkt 1: Entwicklung von CM-Informations- und Reflexionsmaterialien
Ein Team setzte sich zum Ziel, basierend auf den fachlichen Anforderungen an CM und möglichst partizipativ solche Materialien zu entwickeln, die (potenziellen) Nutzer:innen als gut verständliche Information dienen und zur Reflexion eigener Erfahrungen anregen können. Erste Evaluationen bestätigen die Eignung aller Materialien für Informations-, Evaluations- und Forschungszwecke. Sie entfalten ihre Wirkung besonders gut, wenn sie gemeinsam eingesetzt werden.
Prägnante Informationstexte zum sozialarbeiterischen Case Management in Fachsprache, Einfacher Sprache und Leichter Sprache: Diese von Heidelinde Luger in engem Austausch mit Fachexpert:innen und Menschen mit Behinderungen entwickelten Texte basieren auf sprachwissenschaftlichen Empfehlungen für Einfache und Leichte Sprache. Die prägnanten Erläuterungen der Regeln dieser Sprachvarietäten können als weitere Produkte des Projekts angesehen werden.
CM-Erklärvideo: Mohammed Khattab, Martina Spitzer und Bianca Hartmann entwickelten ein Erklärvideo, das sich insbesondere an Menschen mit Fluchterfahrung richtet. Zu den verschiedenen Entwürfen des Drehbuchs und des Videos holten sie Rückmeldungen von Expert:innen für CM, Expert:innen für die Arbeit mit Geflüchteten sowie Personen mit Fluchterfahrung ein. Ihre Ausführungen zu medienpädagogischen, mediendidaktischen und medientechnischen Grundlagen können als Leitfaden für die Produktion audiovisueller Informationsmaterialien dienen.
Erzählvideo von Jugendlichen: Sarah Glaser-Schweighofer und Bianca Mühlbauer kooperierten mit jugendlichen Nutzer:innen von Angeboten der Beruflichen Assistenz, die basierend auf Workshops ein Erzählvideo entwickelten. Das Design der Workshopreihe kann als Blaupause für die interaktive Vermittlung von Wissen über CM an Adressat:innen dienen. Die Analyse des Videos und eine Gruppendiskussion mit Jugendlichen zum Video liefern aufschlussreiche Hinweise für die inhaltliche und sprachliche Gestaltung zielgruppenorientierter Informationsmaterialien.
Schwerpunkt 2: Erfahrungen von Nutzer:innen des CM
Julia Brandt fokussierte auf CM im ‚Zwangskontext‘ und erkundete die Erfahrungen von Bezieher:innen der Sozialhilfe. Basierend auf einer inhaltsanalytischen Auswertung der Narrationen von Nutzer: hebt sie u. a. hervor, wie wichtig den Nutzer:innen eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung, partnerschaftliche Kooperation sowie die Case Manager:innen als Personen sind. Innovativ ist die Integration des HEXACO-Modells um Beschreibungen der Nutzer:innen von den 'Persönlichkeitsmerkmalen' der Case Manager:innen zu systematisieren. Dieses Kapitel regt zu einem Diskurs der plausiblen Deutungen an, die auch auf Ebene des fallbezogenen Intervenierens, fachlicher Prinzipien und/oder eines professionellen Habitus abgehandelt werden können.
Norbert Eder, Anielle Gutermann, Nima Obaro und Sebastian Spiegel-Schmidt untersuchen in ihrer Masterarbeit „Nutzer:innen am Wort“ 1. welche Erfahrungen Nutzer:innen mit Social Work Case Management machen, 2. was Nutzer:innen im Zusammenhang mit dieser Unterstützungsform als wichtig erachten und 3. welche Implikationen diese Erfahrungen und Bedeutungsgebungen für die Theorie und Anwendung von Case Management enthalten. Mittels einer ausgesprochen genauen Anwendung des Kodierparadigmas der Grounded Theory gelingt es den Forscher:innen sehr detaillierte und differenzierte Erkenntnisse zu generieren. Die Forscher:innen arbeiten auf Grundlage einer genauen Anwendung des Kodierparadigmas der Grounded Theory heraus, wie wichtig Nutzer:innen spezifische Qualitäten der Hilfebeziehungen sind. Positiv hervorgehoben wird u. a. ein flexibler und individualisierter Umgang mit Zeit, konsequente Transparenz in allen Schritten des Prozesses, Mitsprache und Kooperation bei Entscheidungen, Zugewandtheit und wertschätzende Anerkennung, Zuversicht und Bestärkung. Die Forscher:innen können anhand der gewonnenen Daten anschaulich darstellen, wie sich Nutzer:innen- und Lebensweltorientierung, Partizipation, Anerkennung und Empowerment in der Praxis zeigen. Darüber hinaus begründen sie entlang der Narrationen der Nutzer:innen, welchen Stellenwert diese entsprechenden Interaktionen und Hilfepraxen für die Verbesserung ihres Wohlbefindens und ihrer alltäglichen Lebensführung beimessen.