Die Digitalisierung betrifft nahezu alle Lebensbereiche unserer Gesellschaft und kann als ein integraler Bestandteil dieser angesehen werden. Damit einher gehen nicht nur grundlegende Veränderungen in der wirtschaftlichen Wertschöpfung, auch alltägliche Lebens- und Arbeitsweisen wandeln sich. Die Arbeitswelt betreffend ist hier generell von Arbeit 4.0 die Rede, soziologisch kann man von digitalen Lebenswelten sprechen. Klar ist, dass Prozesse der Digitalisierung und damit verbunden der Mediatisierung und Datafizierung durch ihre enge Verknüpfung von technischen und gesellschaftlichen Elementen längst auch im sozialwissenschaftlichen Diskurs angelangt sind. Das Forschungsfeld der Sozialen Arbeit hat sich diesbezüglich allerdings erst sehr zaghaft und nur punktuell auf den Weg gemacht.
Digitalisierung wird in den Zusammenhang von bloßer Mediennutzung gebracht und danach fast ausschließlich anwendungsbezogen als Technologienutzung (bspw. Social Media, Datenerfassung etc.) gesehen und dadurch häufig lediglich als Bildungssegment zur Pädagogisierung der Mediennutzung verstanden. Das Projekt Soziale Arbeit 4.0 beschäftigt sich nun auch mit den gesellschaftlichen, politischen und ethischen Fragestellungen die sich durch eine digitalisierte Welt ergeben und versucht zu verstehen, dass Algorithmen und Big Data keine reinen Begriffe der Informatik sind, sondern bereits zur Grundarchitektur von Gesellschaften gehören. Das Projekt wird sich zum einen mit diesen grundsätzlichen Fragen im Feld der Sozialen Arbeit auch in Bezug auf Themen wie Gerechtigkeit und Partizipation auseinandersetzen und zum anderen einen Forschungsbeitrag leisten, inwieweit die Sozialwirtschaft mit dem Thema Digitalisierung verbunden ist und in welcher Weise die Digitalisierung Einflüsse auf die Professionsentwicklung der Sozialen Arbeit hat bzw. haben sollte.
Die Forschungsprojekte
Online Beratung als Form von digitalisierter Sozialer Arbeit wird auch in Österreich bereits von mehreren Hilfsorganisationen wie z.B. Rat auf Draht angeboten. Es handelt sich hier um eine Form der Beratung, bei welcher die Klient*innen selbstständig den ersten Schritt zur Sozialen Arbeit tätigen müssen. Nach digitalen Angeboten einer organisierten, aufsuchenden Sozialen Arbeit muss man jedoch lange suchen, denn es gibt so gut wie keine Angebote des professionellen Streetworks im Internet. Bedenkt man die Komplexität und Besonderheiten der digitalen Lebenswelt, zum Beispiel in Bezug auf Vertrauenswürdigkeit und Datenschutz, ist dieses Fehlen auch nicht verwunderlich. Gleichzeitig ist zu beobachten, dass sich vor allem ein großer Teil der Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der heutigen Zeit weit häufiger auf Social Networking Sites (SNS) aufhält, als vielleicht in Parks und Bahnhöfen - die ursprünglichen „heißen Pflaster“ des Streetworks.
Mit unserem Projekt „Streamwork”, möchten wir die Grundlagen einer aufsuchenden Sozialen Arbeit im Internet erforschen und die Gestaltungsmöglichkeiten auf SNS für Jugendliche und junge Erwachsene anhand folgender, übergeordneter Forschungsfrage prüfen:
Wie kann die aufsuchende Soziale Arbeit in der digitalen Lebenswelt der Social Networking Sites für Jugendliche und jungen Erwachsene gestaltet werden?
Dazu bietet das Thema Datenschutz den Rahmen für die Analyse von drei vielversprechenden Streamwork-Ansätzen für die Soziale Arbeit.
Die Produktion der Zukunft ist mit den Schlagworten Automatisierung, Robotik und künstliche Intelligenz verbunden. Im Bereich der sachgüterproduzierenden Wertschöpfung sind sie bereits Realität und unter dem Begriff Industrie 4.0 bekannt.
Das Projekt Werkstatt 4.0 greift diese Themen auf und untersucht, welches Potential diesen Entwicklungen zur Inklusion von Menschen mit Behinderung innewohnt. Die Forschung findet dabei auf zwei Ebenen statt. Zum einen wird erhoben, welche Formen der Digitalisierung in Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigungen vorgefunden werden, welche Rolle diese spielen und welche Hürden damit verbunden sind.
Zum anderen wird auf praktischer Ebene innerhalb einer good practice Werkstätte geforscht. Die leitende Frage bezieht sich auf Auswirkungen der Digitalisierung unter den Gesichtspunkten der Effizienz und Nachhaltigkeit, sowie der Inklusion und Selbstbestimmung im Rahmen der UN Behindertenrechtskonvention.
Viele Konzepte und Ideen aus dem Marketing werden in zahlreichen Arbeitsfeldern bereits genutzt. In der Sozialen Arbeit bedient man sich ebenfalls schon dieser Konzepte, es gibt allerdings noch großen Aufholbedarf. Organisationen bleiben in alten Verkaufsstrategien stecken und Nutzer*innen haben keinen konkreten Zugang zu passenden Angeboten. Das Projekt befasst sich mit der Frage, ob die Digitalisierung es schaffen kann, eine Schnittstelle zu sein, die das Angebot der NPOs und die (zukünftigen) Nutzer*innen verbindet. Das Forschungsprojekt wird in Kooperation mit der Caritas der Diözese St. Pölten durchgeführt und gemeinsam wurde der Fokus auf armutsgefährdete und armutsbetroffene Menschen gelegt. Zu den wichtigsten Forschungsmethoden zählen vorrangig Interviews, eine Umfrage mittels Fragebogen, die Analyse einer bereits durchgeführten Befragung, eine Fokusgruppe und Experteninterviews.
Publikationen
Roman Brandstätter und Petra Paukowitsch stellen ihr Bachelorprojekt in der wissenschaftlichen Zeitschrift Soziales_Kapitel vor, unter dem Titel „Streamwork und die Vernetzung virtueller Sozialer Arbeit.“
Endbericht des Projekts
Digitale Technologien halten Einzug und verändern die Arbeitsweisen und Abläufe von Sozialarbeiter*innen nachhaltig.
Ergebnisse des Projekts Streamwork (einer Zusammensetzung aus engl. Stream für Fluss und Work von aus engl. Social Work) zeigen die Vielschichtigkeit und Komplexität von Sozialer Arbeit in pluralen digitalen Lebenswelten auf. Es wird ein möglicher Ansatzpunkt für Soziale Arbeit beschrieben, wo im digitalen Raum ein erster Anknüpfungspunkt festgestellt wird. Es geht dabei um die Präsenz von digitalen Hilfsangeboten Sozialer Arbeit auf Social Networking Seiten, Formen der Kontaktaufnahme und des Kontaktangebots, sowie dem Setzen konkreter Interventionen.
Beim Thema Menschen mit Beeinträchtigung werden digitale Technologien als Möglichkeit der Inklusion am Arbeitsmarkt und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben besonders hervorgehoben. Studierende beschäftigten sich hierbei mit den Forderungen auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention und der konkreten Umsetzung für Menschen mit Beeinträchtigung.
Eine dritte Forschung analysierte die derzeitige Situation in Bezug auf die Erreichung von (digitalen Hilfsangeboten), sowie welche Marketingmaßnahme Soziale Unternehmen zur Verfügung haben bzw. welche diese auch Nutzen, um Klient*innen zu erreichen und vice-versa. Dabei zeigte sich, dass das Soziale Netzwerk eine wesentliche Rolle beim Erreichen der Zielgruppe einnimmt, sowie ein Fokus auf die Voraussetzungen für die Hilfesuche gelegt werden muss (digitale Kompetenzen von Klient*innen).
Alle drei Forschungen zeigen eindrucksvoll die breite der Themenstellung und liefern wertvolle Erkenntnisse für eine weitere Auseinandersetzung.
Poster des Social Work Science Day 2020
Masterarbeiten der Studierenden
Bos, Jessica / Klingenbrunner, Lukas (2020): Soziale Arbeit 4.0 in digitalen Lebenswelten. Werkstätten 4.0. Masterarbeit, St. Pölten.