Labor zu Kunst Partizipation und digitalen Räumen
Hintergrund
In Österreich gab es insgesamt 2.115 und in Niederösterreich 372 NS-Lagerorte. Viele der ehemaligen NS-Zwangslager sind aber heute als solche nicht (oder kaum) mehr erkennbar, denn materielle Spuren, die von ihnen Zeugnis geben würden, wurden vielfach abgetragen, überbaut, oder umgeformt. Die Standorte ehemaliger NS-Zwangslager sind heute oft Brachland, sind Wohnsiedlungen, Parkplätzen oder Freizeitanlagen gewichen oder werden als Gebäude für andere Zwecke genutzt. Die Geschichte dieser NS-Lagerorte ist nur in seltenen Fällen im regionalen oder lokalen Gedächtnis verankert geblieben und heute in den jeweiligen Orten oftmals unbekannt – nicht zuletzt auch deshalb, weil es kaum noch Zeitzeug*innen gibt, die über die historischen Geschehnisse berichten könnten.
Projektinhalt
Die vergessenen und kaum mehr sichtbaren NS-Lager werfen die Frage auf wie mit diesen „belasteten“ Orten umgegangen werden soll? Im Rahmen dieses Projekts wollen wir eine Antwort darauf finden. Am Beispiel des Granitsteinbruchs in Roggendorf/Pulkau, wo während der NS-Zeit zunächst sowjetrussische Kriegsgefangene sowie polnische und ukrainische Zwangsarbeiter*innen und später jüdische Zwangsarbeiter*innen aus Ungarn eingesetzt waren, erprobt das Projekt auf der Grundlage digitaler Technologien neue künstlerische Formate und Wege des Erinnerns, Lesbarmachens und Vergegenwärtigens von vergessenen Orten mit belasteter Geschichte. Die lokale Bevölkerung ist eingeladen sich im Rahmen einer Geschichtswerkstatt an dem Projekt zu beteiligen und den Dialog mit dem wissenschaftlichen Projektteam (Donau Uni Krems und FH St.Pölten) zu suchen. Sie ist also so weit wie möglich in alle Prozesse eingebunden (partizipative Wissensproduktion).
Ziele und Vorgehensweise
Das Projekt versteht sich als eine Versuchsanordnung mit Laborcharakter, in der Kunst, Wissenschaft, Digital / Creative Media Technologies- und partizipative Wissensproduktion mit lokalen Communities in den Dialog treten und gemeinsam neue digitale Organisationsformen von Erinnerungskultur entwickeln. Vor allem die partizipative Einbindung von lokalen und regionalen Projektpartnern (wie die Stadtgemeinde Pulkau, Krahuletz Museum Eggenburg, Museum Retz, Museum Horn) und den Communities vor Ort (Kulturverein „Bildung hat Wert“ und weitere Vereine in Pulkau wie die Bibliothek-Mediathek Pulkau) soll für neue künstlerische Impulse sorgen.
Die Auseinandersetzung der Künstler*innen mit dem NS-Zwangsarbeitslager Roggendorf ist an den folgenden Schwerpunkten ausgerichtet:
- Die Orte des NS-Terrors sollen wiederentdeckt und neue Zugänge und Organisationsformen auf Basis aktueller digitaler Werkzeuge entwickelt werden. Das Geschehene soll bewahrt und ein Ankerpunkt gebildet werden, um Geschichte zu erzählen und weiterzutragen.
- Die „regionalen“ Schauplätze (die Mikrohistory) des Holocaust sollen greifbar und die Verortung der Shoah in der unmittelbaren Nähe der betroffenen Orte – das „Lager vor der eigenen Haustür“ – bewusst gemacht werden.
- Öffentliches Engagement vor Ort soll ermöglicht werden. Interessierte Communities erhalten dafür digitale Werkzeugen, um selbst aktiv zu werden und partizipativ an der „Vergegenwärtigung“ des Ortes mitzuwirken.
Ergebnis
Die historische Dokumentation, die digitale Sammlung, die digitalen Tools, Leitfäden und Tutorials und alle anderen Projektergebnisse werden frei (open access) zugänglich sein und somit für weitere Kulturinstitutionen und/oder Communities für die Einrichtung digitaler Räume, die sich mit vergessenen NS-Lagern beschäftigen, zur Verfügung stehen. Um den Zugang so einfach wie möglich zu gestalten wird ein digitaler Projekt-Workspace eingerichtet. Dieser digitale Workspace wird auf die Websites der Institutionen des Projektteams und der ProjektpartnerInnen verlinkt. Besucher*innen der beteiligten Museen werden ebenfalls auf das Projekt aufmerksam gemacht, die Medienarbeit der beteiligten Institutionen der Öffentlichkeit kommuniziert und die Projektergebnisse über Beiträge in Kunstmedien und Publikationsorganen in den beteiligten Wissenschaftsfeldern einer interessierten wissenschaftlichen Öffentlichkeit vermittelt. Die öffentlichkeitswirksame und große Verbreitung der Projektinhalte soll zudem neue Impulse setzen und Orten mit ähnlicher Vergangenheit konkrete Anregungen für vergleichbare Initiativen liefern.
Weiterführende Informationen:
https://www.spurenlesbarmachen.at/
Vertiefende Literatur zu den Lagern in NÖ (von Marie Therese Litschauer).
http://litschauer.sil.at/htm/book.htm
Konsolidierte Liste der Lagerorte in NÖ auf der Seite des Bundeskanzleramts.
https://bda.gv.at/aktuelles/artikel/2021/05/liste-der-ns-opferorte-in-oesterreich/
Sie wollen mehr wissen? Fragen Sie nach!
Forschungsgruppe Media Creation
Institut für Creative\Media/Technologies
Senior Researcher
Forschungsgruppe Media Creation
Institut für Creative\Media/Technologies
Department Medien und Digitale Technologien
- Donau Universität Krems
- FH St. Pölten
- Injoest
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Stadtgemeinde Pulkau
- Kulturverein Bildung hat Wert Pulkau
- Krahuletz Museum Eggenburg
- Museum Horn
- Museum Retz