Nutzt Deep Learning, um komplexe muskuloskelettale Simulationen in der Ganganalyse Kliniker*innen auf einfache und schnelle Art und Weise zugänglich zu machen?
Hintergrund
Erkrankungen des Bewegungsapparates zählen zu zehn häufigsten Krankheiten weltweit und sind der Grund dafür, dass eine große Zahl von Menschen oft jahrelang mit körperlichen Einschränkungen leben muss. Verletzungen der Muskulatur und/oder an den Gelenksstrukturen gehen aber nicht nur zu Lasten der körperlichen Mobilität, sondern haben auch eine soziale und gesellschaftliche Dimension. Sie erschweren es den Leidtragenden mit ihren Mitmenschen und ihrer Umwelt in Kontakt zu treten und verschlechtern die Chancen am Arbeitsmarkt. Was weltweit zu beobachten zu ist, gilt auch für Österreich. Im Jahr 2017 wurden Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems in rund 21 % der Fälle als Grund für einen Krankenstand genannt. Die Behandlung von Mobilitätseinschränkungen zu verbessern ist daher eine zentrale Aufgabe im Gesundheitswesen.
Projektinhalt
Die Voraussetzung für die bestmögliche Behandlung bei Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems, ist eine genaue Untersuchung zugrunde liegender Bewegungsmechanismen. Bei Gang- und Bewegungsstörungen ist der weltweit etablierte Goldstandard für diesen Zweck die instrumentelle 3D Gang- und Bewegungsanalyse (3DGA). Ist man an den internen Kräften wie z.B. den Kniekontaktkräften beim Gehen interessiert, sind komplexere muskuloskelettale Simulationsmodelle erforderlich. Solche Modelle können nachweislich zu einer optimaleren medizinischen Entscheidungsfindung in der klinischen Praxis beitragen, sind aber sehr zeitaufwändig und benötigen hochqualifiziertes Personal sowie leistungsstarke Hardware. Sie im klinischen Umfeld anzuwenden, ist daher oft nur eingeschränkt möglich. Um diese Technologie Kliniker*innen in der Gang- und Bewegungsanalyse leichter zugänglich zu machen, entwickelt deepForce leistungsfähige Deep-Learning-Algorithmen, welche Ergebnisse solcher muskuloskelettaler Simulationsmodelle basierend auf Standard 3D Gang- und Bewegungsanalysedaten vorhersagen können. Die resultierenden Modelle sollen auf ein breites Spektrum von Pathologien sowie auf verschiedene Patientenkategorien angewendet werden können und es erlauben schnell und mit minimalem Aufwand Erkrankungen des Bewegungsapparates besser zu verstehen.
Ziele
Muskuloskelettale Simulationsmodelle sind bei Untersuchungen des Bewegungsapparates sehr nützlich, aber auch zeitaufwändig und erfordern geschultes Personal. Eine schnellere oder sogar Echtzeit-Schätzung von Muskel- und Gelenkskontaktkräfte würde eine zusätzliche Entscheidungshilfe bei klinischen Untersuchungen in der Gang- und Bewegungsanalyse darstellen und den Erkenntnisgewinn in der Forschung vorantreiben. In diesem Projekt entwickeln wir Deep Learning basierte Lösungen, die dies ermöglichen sollen.
Methodik
Über einen unserer Kooperationspartner, dem Orthopädischen Spital Wien-Speising (OSS) und dem dort befindlichen klinischem Ganglabor, hat das Projektteam Zugriff auf mehr als 1.000 anonymisierten 3DGA-Patient*innendaten, die mehr als 12.000 individuelle Schritte umfassen. Diese Daten enthalten Gangmuster von Patient*innen mit unterschiedlichen Pathologien wie zum Beispiel Achsenfehlstellungen, Klumpfüßen und infantiler Zerebralparese, aber auch Gangmuster von Kontrollgruppen gesunder Personen. Zusätzlich werden Daten aus den Ganglaboratorien der Fachhochschule St. Pölten und eines weiteren wissenschaftlichen Kooperationspartners, der Universität Mainz, genutzt. All diese Daten werden zu einem großen 3DGA-Datensatz zusammengeführt, um darauf aufbauend robuste, leistungsfähige Maschine-Learning Modelle für die Vorhersage von Gelenkkontaktkräften zu entwickeln.
Fördergeber
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Senior Researcher Institut für Gesundheitswissenschaften
Department Gesundheit
Hans Kainz
Ilse Jonkers
Bryce Killen
Fabian Horst
- Orthopädisches Spital Speising (OSS)
- Universität Wien, Neuromechanics Research Group
- KU Leuven [Belgien]
- Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz [Deutschland]